Was ist eine Blume?
Eine scheinbar überflüssige
Frage ...
Was eine Blume ist, das weiß doch schließlich
jeder. Man geht einfach in ein Floristik-Fachgeschäft
und läßt sich einen ganzen Strauß davon binden,
man begibt sich auf eine Wiese und plückt sich welche,
stellt sie sich eingetopft auf die Fensterbank. Könnte
es eine Frage geben, die überflüssiger ist?
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Ob "Echte Kamille"
(Chamomilla recutita (L.) RAUSCHERT; links) oder "Falsche
Kamille" (Matricaria maritima (L.) KOCH; rechts)
- die Kamillen-"Blüte" ist gar keine: Was da
wie eine Einzelblüte ausschaut, ist in Wahrheit ein Blütenstand
("Körbchen"), der aus kleinen gelben Röhrenblüten
besteht, die von einem Ring aus weißen Zungenblüten
umkränzt werden... |
Der Unterschied zwischen "Haben" und "Sein".
Man sollte jedoch wissen, dass sich einem Botaniker eigentlich
das Nackenfell sträuben müßte, wenn der die Definition
einer Blume durch den Volksmund betrachtet:Für die meisten
Menschen ist eine Blume eine mehr oder weniger vollständige,
"kleine" bis "mittelgroße" Pflanze, die
am oberen Ende mehr oder weniger auffällig dekorativ aussieht.
Der Botaniker hingegen sagt, eine Pflanze hat eine Blume bzw. manche
Pflanzenarten können eine Blume ausbilden. Offensichtlich meint
er also nur einen Teil einer Pflanze ...
Blumen sind Verführung ...
Verführung? Wer soll denn da verführt werden ... nun,
der Mensch ist es eigentlich nicht, sondern die meist hat derjenige,
der angelockt werden soll, sechs Beine. Als Blume oder Anthium
bezeichnet der Botaniker genau denjenigen Teil der Pflanze, der
bei tierbestäubten Pflanzenarten den oder die passenden Bestäuber
anlocken soll.
- Manchmal ist eine einzelne Blüte schon so schön
groß und auffällig, dass sie die Bestäuber (meist
Insekten) stark anzieht: Die Tiere trinken den Nektar der Blüten
und/oder essen die Pollen und nehmen mehr oder weniger freiwillig
den Pollen zur nächsten Blüte mit, um sie zu bestäuben.
Die Blüte ist gleich der Blume und wird dann als Euanthium
bezeichnet: Ob Klatschmohn oder Rose: sie verfolgen die gleiche
Strategie ... Ist eine Blume also einfach eine Blüte? |
Die Blüte des Klatschmohns (Papaver
rhoeum L.) als Beispiel für ein Euanthium.
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- Nicht immer. Manche Blüten sind für sich allein
recht "mickrig" und unscheinbar. Sie könnten
im Normalfall von den Bestäubern leicht übersehen
werden. Um den Bestäubungserfolg zu erhöhen, fasst
die Pflanze die Blüten zu auffälligen Blütenständen
zusammen, wie etwa bei den Doppeldolden des Bärenklau.
Es kann sogar soweit gehen, dass ein solcher Blütenstand
eine auffällige Einzelblüte regelrecht nachahmt,
wie z.B. die gelben Körbchenblütenstände des
Löwenzahn oder die Körbchen der Kamille-Arten. In
diesen Fällen bildet der gesamte Blütenstand eine
Blume.
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Die Doppeldolden des Wiesen-Bärenklau
(Heracleum shondylum L.) bilden ein Pseudanthium.
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- Eher seltener ist es, dass eine Blüte so
in Teile aufgeteilt ist, dass jeder einzelne Teil für die
Bestäuber als Blume wirkt. Dies ist zum Beispiel bei den
Schwertlilien der Fall (Iris pseudacorus L., Iris
germanica L.). Eine solche Blüte, die auf den Bestäuber
so wirkt, als sei sie aus Einzelblüten aufgebaut, wird
als Meranthium bezeichnet.
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Blüten ja, aber keine Blume
Eine Reihe von Blütenpflanzen bildet gar keine Blume
aus: Es sind dies all jene Arten, die keine tierischen Bestäuber
brauchen, z.B. alle windbestäuben Arten wie die Gräser
(Poaceae) oder die Nacktsamer.
Fazit
Zusammengefaßt ist die "Blume" für den
Botaniker ein bestäubungsbiologischer Begriff, für
den Volksmund jedoch ein romantischer oder ästhetischer
Ausdruck für bestimmte schöne Pflanzen ... insgesamt
ein schönes Beispiel, wie ein Alltagsbegriff in einem
fachlichen Zusammenhang eine gänzlich andere Bedeutung
haben kann.
Fotos und Text:
Dipl.-Biol. Ingo Schendel, 2004
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